Der Coronavirus und die                                  Betriebs-Haftpflichtversicherung

Infiziert der Virus die Rechtsversicherungen?

A. Einleitung

 

I. Zivilrecht

 

Die Betriebshaftpflichtversicherung ist ein Dauerschuldverhältnis, in dem der Versicherer den Versicherungsnehmer über Jahre begleitet und gegen berechtigte und unberechtigte Ansprüche Dritter schützt. Es fragt sich, wie Haftung und Haftpflichtversicherung auf den Coronavirus reagieren.

 

Beispiel: Nach Verarbeitung der eingegangenen Ware erfährt der Abnehmer, dass der Lieferbetrieb infiziert ist. Die Baugruppen mit dem angelieferten Erzeugnis kommen ins Sperrlager.

 

Als Dauerschuldverhältnis ist die Haftpflichtversicherung gewöhnt, mit Änderungen des gezeichneten exposure umzugehen.

Dabei unterscheiden die Versicherer Risiken und Gefahren. Risikoänderungen - neben Risikoreduzierungen, die der Coronavirus nicht mit sich bringt - sind Risikoerhöhungen, Risikoerweiterungen und neue Risiken. 

Damit meint der Bedingungsgeber die zumeist gegenständlichen betrieblichen Risiken, also insbesondere die Produktpalette des Unternehmens.

Von diesen Risiken gehen Gefahren aus und zu diesen Gefahren zählt der Coronavirus, auch Covid-19 genannt.

Er ist kein Risiko im Sinne der Bedingungen, er ist bedingungstechnisch eine Gefahr.

Ziff. 1 AHB in Verbindung mit Ziffer 2 AHB, welche die Risikoentwicklung des Vertrages regeln, helfen also bei der “Risikobewältigung” nicht.

 

Vermutlich werden auch die naheliegenden risikosteuernden Maßnahmen der Unternehmen wie Kurzarbeit, Heimarbeit oder auch eine räumliche Reorganisation innerhalb des Betriebs nicht dazu führen, dass Schäden verhindert werden.

Im Gegenteil steht die Betriebs-Haftpflichtversicherung vor der neuen Gefahr eines Personen-Serienschadens - der allerdings gemäß Ziffer 7.18 AHB von der Deckung ausgeschlossen ist. 

 

Die Ausbreitung einer Pandemie von einem chinesischen Fischmarkt mit besonderen Wildspezialitäten mag dabei noch Höhere Gewalt sein. Sicherheitsverletzungen des Betriebes durch eine unangepasste Vorgehensweise aber wohl nicht.

 

Beispiel: Der Betrieb bezieht Ware aus einem Risikogebiet. Er sperrt die Ware nicht vollständig; ein Teil davon gelangt ins Feld.

 

Dabei werden alternative Kommunikationsformen den Sieg gegenüber den bisweilen etwas veralteten Kommunikationsformen der Gegenwart und Vergangenheit davontragen. Fernkommunikation über das Internet mag den Nachteil haben, dass das gemeinsame Mittagessen ausfällt - die Vorteile sind aber unübersehbar und dies für die betriebliche Kostenrechnung ebenso wie für die Umwelt. 

Die modernen Möglichkeiten der Fernkommunikation lassen sowohl mit bester Bild- als auch Tonqualität Studioaufnahmen zu, die das meeting nahezu ohne Einbuße wiederspiegeln. Dokumentationen können dabei von Haus zu Haus übertragen werden.

 

Was aber hat das mit der Betriebs-Haftpflichtversicherung zu tun? 

 

Der Virus betrifft nahezu alle Bereiche einer Betriebs-Haftpflichtversicherung

 

II. Öffentliches Recht

 

Die Betriebs-Haftpflichtversicherung steht im Zusammenhang mit den aktuellen viralen Gefahren im Spannungsfeld von Zivilrecht und Öffentlichem Recht. 

Ebenso wie die Rückrufversicherung bei behördlicher Anordnung eines Rückrufs Bezugspunkte zum Öffentlichen Recht aufweist oder die Umwelthaftpflichtversicherung ebenso wie die Wasserhaushaltsgesetz-/(WHG)-Deckung mit behördlichen Anordnungen von Sanierungsverfahren zu tun hat, ist nun auch die Betriebs-Haftpflichtversicherung mit dem Öffentlichen Recht konfrontiert und hat die Frage zu beantworten, ob der Versicherer hierfür oder auch nur im Zusammenhang damit eine Deckung zu bieten hat. Und welche.

 

Der Coronavirus bringt also Verwaltungsstreitigkeiten ins Umfeld der Betriebshaftpflichtversicherung. 

 

Die Behörde wird dabei tätig auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und der aufgrund von Rechtsverordnungen erlassenen Notstandsrechte. 

 

In der Regel ergeht ein belastender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz. Sind mehrere Personen von der behördlichen Anordnung betroffen, ergeht eine Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG. 

Sind keine konkreten Rechtsvorschriften einschlägig, richtet sich die Behörde nach dem Polizei- und Ordnungsrecht. 

Sie richtet sich an Zustandsstörer, Verhaltensstörer und Veranlassungsstörer. 

In Amtshilfe beigezogen werden etwa die Gesundheitsämter. 

 

Dabei ist darauf zu achten, dass die sachliche und instanzielle Zuständigkeit der Behörde eingehalten wird. 

Handelt die Behörde und schließt etwa den Betrieb oder Teile davon, empfiehlt es sich, einen Widerspruch gegen diese Maßnahme nach Maßgabe der §§ 68 ff. VwGO zu erheben und vorläufigen Rechtsschutz zu beantragen. Die Widerspruchsfrist beträgt regelmäßig einen Monat ab Erlass des Verwaltungsaktes. 

 

Fehlerhafte Maßnahmen der Behörde können einen enteignungsgleichen Eingriff darstellen, der eine Amtshaftung nach Art. 34 Grundgesetz in Verbindung mit § 839 BGB zur Folge haben kann. 

 

Da die Behörde die Grundrechte des Betriebes und seiner Inhaber einschränkt, gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die Maßnahme der Behörde muss danach geeignet, erforderlich und angemessen sein. 

Sie muss eine Güterabwägung vornehmen, etwa zwischen der Personenschadengefahr in und im Zusammenhang mit dem Betrieb gegen die wirtschaftlichen Folgen der Maßnahme. 

Dabei wird es darum gehen, der Betriebsschließung vorzuziehende Maßnahmen zu präferieren, wie etwa eine schadenpräventive Reorganisation der betrieblichen Abläufe. 

 

Ein wesentlicher Aspekt eines “verhältnismäßigen Behördenhandelns” ist die Dauer der Beschränkung. 

Der Verwaltungsakt muss die Form des § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz einhalten und damit auch zweifelsfrei als belastender Verwaltungsakt auf eine Ermächtigungsgrundlage zu stützen sein. 

Die Behörde hat dabei im Tatbestandsbereich einen Beurteilungsspielraum und im Bereich der Rechtsfolgen häufig die Möglichkeit, eine Ermessensentscheidung zu treffen. 

 

Dabei wird sie regelmäßig den sofortigen Vollzug der Maßnahme anordnen, etwa nach § 6 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz. 

Der Widerspruch hat dann keine aufschiebende Wirkung und es bleibt nur der sofortige Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten. 

Dabei ist damit zu rechnen, dass die Behörde weisungsgemäß konsequente, den Betrieb unmittelbar belastende, Maßnahmen ergreift und auch die Verwaltungsgerichte sich in der Verpflichtung sehen, virale Verbreitungen einzudämmen. 

 

Es ist also nicht damit zu rechnen, dass vorläufiger Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten schnell bewirkt werden kann. 

 

Man mag dann beides in die Wege leiten, sowohl den einstweiligen Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten, um festzustellen, wie die Gerichte entscheiden, aber auch die Aufnahme von Gesprächen mit der Behörde, um die Maßnahmen zu finden, die die ultima ratio der Betriebsschließung ersetzen können. 

Hier ist es am Betrieb, selbst vorzutragen, welche Maßnahmen, wie etwa die räumliche Reorganisation des Betriebes, die Einschränkung der Produktion auf die Kernprodukte oder die Arbeit im Homeoffice, eine Betriebsschließung verhindern oder verkürzen können.

 

Behördliche Einschränkungen des Betriebes können im Rahmen der Sach-Versicherungen mit einer sogenannten Seuchen-Betriebsunterbrechungsversicherung (Seuchen-BU) gedeckt werden; sie haben ihren Standort traditionell aber nicht in den Rechtsversicherungen. 

 

Gleichwohl geht es im Rahmen der Betriebs-Haftpflichtversicherung um die Folgen behördlichen Handelns. 

So rechtfertigt eine Betriebsschließung nicht immer eine Exkulpation bei Nichtlieferung. Also entschuldigt sie nicht immer die Nicht-, Spät- oder Schlechtlieferung. 

Insbesondere dann, wenn die Betriebsschließung nicht rechtmäßig - weil nicht erforderlich - war und dies durch ein Widerspruchsverfahren hätte beseitigt werden können, entsteht etwa ein Verzugsschaden. Oder die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe.

 

Die Betriebshaftpflichtversicherung hat also im Zusammenhang mit Covid-19 auch und insbesondere die behördlichen Maßnahmen zu beobachten und zutreffend zu reagieren. 

 

B. Das Betriebsstättenrisiko

 

I. In den Betrieb gelangende Erreger

 

Infektionskrankheiten können zunächst in den Betrieb übertragen werden. Der infizierte Betrieb ist dann Geschädigter, der infizierende (Betrieb) ist Schädiger.

 

Beispiel: Ein Besucher infiziert die Gesprächsteilnehmer eines meeting.

 

II. Inhouse-Infektionen

 

Innerhalb des versicherten Betriebs sind weitgehend die Sozialversicherungsträger zuständig. Eine Virusinfektion ist kein Unfall, also keine von außen plötzlich auf den Körper des Verletzten einwirkende Begebenheit, durch die dieser unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet; derartige Infektionen können eine Krankheit verursachen.

Noch immer gilt, dass eine Krankheit ein vom Arzt festgestellter anormaler geistiger oder körperlicher Zustand ist.

 

Beispiel: Mitarbeiter stecken sich in der Kantine gegenseitig an.

 

III. Aus dem Betrieb gelangende Erreger

 

Infektionskrankheiten können aus dem Betrieb übertragen werden. Der infizierende Betrieb ist dann der Schädiger, der infizierte (Betrieb) ist der Geschädigte.

 

Beispiel: Lebensmittel, Kleidung und Spielzeug werden mit umweltstabilen Viren ausgeliefert.

 

1. Geschäftspartner

 

Gegenüber dem durch Vertrag verbundenen Geschäftspartner gelten strenge Regeln.

Der Betrieb ist nach Vertragsrecht gehalten, auf die Bedürfnisse des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen; wird das schuldhaft unterlassen, entsteht eine Schadensersatzpflicht.

 

2. Dritte
 

Eine Haftung gegenüber Dritten wird relativ selten sein. Nur dann, wenn sich die Infektionswege nachvollziehen lassen und die Viren stabil, also transportfähig, sind, entsteht bei Nachlässigkeit des Lieferanten eine Haftung durch die sogenannte Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Grundlage des Deliktsrechts.

IV. Ziff. 7.18 AHB: Übertragung von Krankheiten

Die AHB schließen die Übertragung von Krankheiten durch den Versicherungsnehmer aus.

1. Der Bedingungstext

Falls im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, sind von der Versicherung ausgeschlossen: …

7.18 Haftpflichtansprüche wegen Personenschäden, die aus der Übertragung einer Krankheit des Versicherungsnehmers resultieren.

In (diesen) Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat.

In der Betriebs-Haftpflichtversicherung war die Übertragung von Krankheiten bisher die Ausnahme. Ist der Versicherungsnehmer eine juristische Person, sind zwar Übertragungen von Krankheiten durch die Mitarbeiter denkbar, die Übertragung einer Krankheit juristischer Personen selbst ist aber denknotwendig unmöglich. 

Beispiel: Ein Versicherungsvertreter steckt seine Kunden an.

Juristische Personen sind Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung und können nicht krank im humanmedizinischen Sinne sein.

Im Fall der Übertragung von Krankheiten der Mitarbeiter ist die deckungsausschließende Zurechnung zum Versicherungsnehmer problematisch.

Zwar werden dem Versicherungsnehmer rechtsgeschäftlich bedeutsame Handlungen oder Unterlassungen, insbesondere die Abgabe von Willenserklärungen oder Wissenserklärungen zugerechnet. Eine Zurechnung von Krankheiten der gesetzlichen Vertreter, leitenden Angestellten und übrigen Mitarbeiter des Unternehmens zum Versicherungsnehmer ist aber als solche nicht möglich.

Zwar kann eine haftungsrechtliche Verantwortung des Versicherungsnehmers für die Übertragung von Krankheiten der Mitarbeiter entstehen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die hygienischen Anforderungen an eine schadenpräventive Betriebsführung nicht erfüllt werden. Eine Übertragung von Krankheiten des Versicherungsnehmers ist das aber nicht.

Beispiel: Der Betrieb verstößt mit einer fehlenden Trennung von Produktion und Toilette gegen die Good Manufacturing Practice (GMP).

Im Organisationsbereich einer juristischen Person werden dem Versicherungsnehmer also die haftungsrechtlichen Konsequenzen des Verhaltens der Mitarbeiter zugerechnet, wenn ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden des Arbeitgebers oder ein sonstiges die Krankheitsübertragung ermöglichendes Organisationsverschulden des Versicherungsnehmers vorliegt.

Ein Deckungsausschluss nach Maßgabe der 7.18 AHB wird aber bei dieser Gesellschaftsform regelmäßig nicht vorliegen, weil keine „Krankheit des Versicherungsnehmers“ übertragen wurde.

2. Einzelunternehmer und Personengesellschaften

Ist der Versicherungsnehmer keine juristische Person, sondern als Einzelunternehmer oder handelnde Person in einer Personengesellschaft tätig oder wird ihm das Unterlassen von Sicherheitsvorkehrungen gegen das Entstehen und die Übertragung von Krankheiten vorgeworfen, ist eine deckungsausschließende Übertragung von Krankheiten durch den Versicherungsnehmer denkbar.

Die Übertragung von Krankheiten ist auch im Falle von Sozialkontakten im Rahmen einer Betriebs-Haftpflichtversicherung von der Betriebsbeschreibung und damit vom versicherten Risiko erfasst.

Beispiel: Versicherungsnehmer betreibt eine Schlosserei. Anlässlich eines Kundenbesuchs steckt er den Kunden mit einem Grippevirus an.

Die Übertragung dieser Krankheit zählt zwar nicht zum Kernbereich der Schlossereitätigkeit. Gleichwohl bringt der Betrieb eines werbenden Unternehmens Sozialkontakte aller Art mit sich. Dabei können etwa während eines Kundenbesuchs dessen Sachen durch Unaufmerksamkeit beschädigt werden oder ansteckende Krankheiten übertragen werden.

Wenn also die Tätigkeit des Versicherungsnehmers, wie zumeist, soziale Kontakte in Akquisition, Auftragsdurchführung oder Kundenservice mit sich bringt, ist die Übertragung von Krankheiten ein “Nebenrisiko” zum versicherten Betriebscharakter.

Dagegen ist die Nichtübertragung von Krankheiten eine Hauptpflicht des Versicherungsnehmers, wenn er „Gesundheit schuldet“. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er in Heilberufen tätig ist (aktive Haupt-„Pflicht“ durch heilende Tätigkeiten) oder im Lebensmittelbereich (passive Hauptpflicht durch Verhinderung von Erkrankungen).

Beispiel: Der Arzt untersucht ohne Schutzkleidung.

Sowohl im Rahmen der Betriebstätigkeiten einer juristischen Person als auch im Rahmen der Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmens sind also Übertragungen von Krankheiten dann möglich, wenn Sozialkontakte zu Kunden gehalten werden.

Das Gleiche gilt, wenn Mitarbeiter in einem Einzelunternehmen oder in einer Personengesellschaft Krankheiten übertragen. Auch diese Krankheiten sind nicht Krankheiten des Versicherungsnehmers.

Erstreckt sich die Versicherung auch auf Haftpflichtansprüche gegen andere Personen als den Versicherungsnehmer selbst, sind regelmäßig alle für ihn geltenden Bestimmungen auf die Mitversicherten entsprechend anzuwenden. Krankheitsübertragungen durch die Mitarbeiter sind dann ebenfalls von der Deckung ausgeschlossen.

3. Personenschaden

In der ersten Tatbestandsvariante der Ziffer 7.18 AHB muss die Übertragung von Krankheiten des Versicherungsnehmers zu einem Personenschaden führen, um den Ausschlusstatbestand zu verwirklichen.

Vom Ausschlusstatbestand nicht erfasst sind die Fälle der krankheitsbedingten Sachkontamination sowohl ohne eine vorherige Erkrankung von Personen wie auch die krankheitsbedingte Sachkontamination im Zusammenhang mit einer vorherigen oder gleichzeitigen Erkrankung der Sachwalter.

Beispiel 1: Der Versicherungsnehmer überträgt Bakterien auf Lebensmittel in einem Kühlhaus. Die Lagerarbeiter werden nicht angesteckt.

Beispiel 2: Der Versicherungsnehmer überträgt Bakterien in einem Lebensmittellager auf die Lagerarbeiter. Der mit den Arbeitern in Kontakt gekommene Lagerbestand wird kontaminiert.

Personenschaden ist ein Schadenereignis, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsbeschädigung von Menschen zur Folge hat. Personenschäden sind damit Körperverletzungen und Gesundheitsbeschädigungen. Dabei versteht man unter einer Körperverletzung jeden äußerlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und unter einer Gesundheitsbeschädigung die Störung der inneren Lebensvorgänge. 

4. Haftpflichtansprüche

a) Gesetzliche Ansprüche
Die Betriebs-Haftpflichtversicherung erfasst Ansprüche privatrechtlicher Art. Als privatrechtlich sind Haftungsnormen dann zu qualifizieren, wenn sie die Rechtsverhältnisse einzelner Rechtssubjekte untereinander regeln, also die Schadenersatzverpflichtung im Sinne der Gleichordnung von Ersatzpflichtigem und Ersatzberechtigtem erscheint. Haftungsbegründend ist etwa § 823 BGB. Nur Schadenersatzansprüche aufgrund „gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen“ sind Gegenstand der Betriebs-Haftpflichtversicherung.

Damit sind diejenigen Rechtsnormen gemeint, die unabhängig vom Willen der Beteiligten an die Verwirklichung eines unter § 1 AHB fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfen.

b) § 823 BGB
Haftpflichtansprüche aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 ff. BGB sind Gegenstand der Betriebs-Haftpflichtversicherung nach Ziffer 1.1 AHB und Ausschluss-Tatbestandsmerkmal der Ziffer 7.18 AHB.

Beispiel: Der Versicherungsnehmer überträgt eine hoch ansteckende Infektionskrankheit, obwohl er sich der Ansteckungsgefahr bewusst ist.

c) § 1 ProdHG
Neben der Verschuldenshaftung des § 823 Abs. 1 BGB besteht die Haftung für fehlerhafte Produkte gemäß § 1 ProdHaftG. Auch ein Anspruch, der auf dieser Haftungsnorm basiert, ist vom Deckungsumfang der Betriebs-Haftpflichtversicherung nach Ziffer 1.1 AHB erfasst und kann Merkmal des Ausschlusstatbestandes gemäß 7.18 AHB sein.

Beispiel: Versicherungsnehmer schneidet Salate für eine Frische-Bar in einem Supermarkt. Dabei überträgt er eine Lungenerkrankung auf die Kunden.

d) pVV und cic
Schadenersatzansprüche aus dem Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung (pVV) werden grundsätzlich vom Versicherungsschutz der Betriebs-Haftpflichtversicherung erfasst.

Ein solcher Schadenersatzanspruch entsteht, wenn Sorgfaltspflichten durch den Versicherungsnehmer schuldhaft verletzt werden, welche bereits bei Eintritt in die Vertragshandlungen entstehen. Dabei ist es gleichgültig, ob der Vertrag zustande kommt.

Beispiel: Der - erfolglose - Vertreter infiziert mit dem gewohnten Händeschütteln den Gesprächspartner.

5. Krankheit

Der Versicherungsnehmer muss eine Krankheit übertragen, die zu einem Personenschaden eines Dritten führt.

Krankheit ist ein vom Arzt festgestellter oder feststellbarer anormaler körperlicher oder geistiger Zustand. Krankheiten können dabei psychischer oder physischer Natur sein. Krankheiten können Gesundheitsbeschädigung mit oder ohne Körperverletzung sein.

Körperverletzung ist eine von außen auf den Körper wirkende Schädigung der körperlichen Unversehrtheit, Gesundheitsbeschädigung ist Krankheit ohne Körperverletzung.

Allgemein kommen hier in Betracht Krankheiten als Folge einer Körperverletzung und Krankheiten, die ohne Körperverletzung direkt eine Gesundheitsbeschädigung verursachen. Krankheiten als Folge einer Körperverletzung werden dabei eher selten sein und zumeist dann auftreten, wenn die betriebliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers eine Tätigkeit im oder am Körper des geschädigten Dritten ist.

Beispiel: Versicherungsnehmer ist ein Virus erkrankter Friseur. Anlässlich einer Kundenbehandlung verletzt er den Kunden (Körperverletzung) und infiziert diesen (Gesundheitsbeschädigung).

Da die meisten Betriebstätigkeiten der Versicherungsnehmer keine Tätigkeit im oder am Körper des potenziell geschädigten Dritten darstellen, kommt es ebenso zumeist zu einer Krankheit im Sinne einer Gesundheitsbeschädigung ohne vorherige Körperverletzung.

Beispiel: Versicherungsnehmer ist ein Lieferant von Essen auf Rädern. Aufgrund einer Erkrankung infiziert er die Lieferung, die nach Verzehr zu Gesundheitsschäden bei seinen Kunden führt.

Die Übertragung der Krankheit des Versicherungsnehmers auf seinen Kunden oder auf Dritte kann also unmittelbar durch körperlichen Kontakt oder mittelbarer durch infektionstragende Medien erfolgen.

6. Kausalität

Die eingetretenen Personenschäden müssen aus der Übertragung einer Krankheit des Versicherungsnehmers resultieren.

Die Krankheit des Versicherungsnehmers muss also äquivalent kausal für den Schaden des Dritten sein d.h., sie darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Schädigung des Dritten entfällt. Darüber hinaus wird man fordern müssen, dass die Krankheit des Versicherungsnehmers auch adäquat kausal für den Schaden des Dritten ist. Der Personenschaden des Dritten darf also nicht völlig unwahrscheinlich als Folge des Handelns oder pflichtwidrigen Unterlassens des Versicherungsnehmers eintreten.

Wenngleich es eine Deckung für die Übertragung von Krankheiten nicht gibt, wird es in nicht wenigen Fällen auch an der Haftung des Versicherungsnehmers fehlen, wenn die Krankheitsübertragung schuldlos erfolgt.

Beispiel 1: Der Versicherungsnehmer überträgt die Krankheit unwissentlich und kann deren Übertragung mit angemessener Sorgfalt auch nicht vorhersehen.

Beispiel 2: Der geschädigte Dritte nähert sich dem Versicherungsnehmer unnötig und erkrankt dadurch.

Beispiel 3: Der geschädigte Dritte verzehrt entgegen den üblichen Verzehrsgewohnheiten die vom Versicherungsnehmer gelieferte und infizierte Ware roh. Bei ordnungsgemäßer Erhitzung wäre es nicht zu einer Krankheitsübertragung gekommen.

7. Dispositivität

Personenschäden durch die Übertragung von Krankheiten des Versicherungsnehmers und Sachschäden durch die Übertragung von Tieren des Versicherungsnehmers sind regelmäßig, aber nur dann, von der Deckung ausgeschlossen, wenn im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

Bei einem erkannten Deckungsbedarf sollte deshalb mit dem Versicherer über den Einschluss der Krankheitsrisiken verhandelt werden.

C. Produkt-Haftpflichtversicherung

 

I. Einleitung

 

1. Die Produkt-Haftpflichtversicherung in der Lieferkette

 

Produkthaftpflichtversicherungen begleiten die Produzenten in der Lieferkette. So dürfte in der Regel der Hersteller von Grundstoffen über eine Produkthaftpflichtversicherung verfügen, der Hersteller von Halbzeugen und - wenn auch mit anderen Anforderungen - der Hersteller der Endprodukte.

 

2. Einkaufsrecht und Verkaufsrecht

 

Dabei ist zu beachten, dass Geschäftspartner unterschiedliche Ziele verfolgen. So wird der Kauf von Produktionsmaterial unterschiedliche Wünsche nach einer Vertragsvereinbarung beim Verkäufer und beim Käufer begründen: Der Käufer wünscht sich etwa eine lange Verjährung, der Käufer eine kurze.

 

Einkaufsrecht ist dann das Gegenteil von Verkaufsrecht: Was man im Einkauf vereinbart, ist im Verkauf regelmäßig falsch. Aus diesem Grunde sind auch im Hinblick auf gewerbliche Infektionen unterschiedliche Maßnahmen in Einkauf und Verkauf zu vereinbaren.

 

Beispiel: Im Einkauf vereinbart man negative Tatbestandsmerkmale, etwa die Zusicherung einer Virenfreiheit. 

Im Verkauf vereinbart man so wenig verbindliche  Parameter wie möglich: Jede Nichteinhaltung physikalischer Kenndaten führt zu Mangelersatzansprüchen (Nachlieferung) und bei Verschulden zu Schadenersatzansprüchen.

 

3. Das Produkt als “Erreger-Taxi”

 

Mit welcher Ursachen- und Schaden-Wirktypizität ist bei der Übertragung von Krankheitserregern und der dadurch verursachten Mangelhaftigkeit von Produkten zu rechnen? Nehmen wir - neben anderen Kontaminanten - als Beispiel Viren und Bakterien.

 

Beispiel: Balkonpflanzen sind kontaminiert; Gummidichtungen sollen kontaminiert sein.

 

Viren sind zellenlose infektiöse organische Strukturen, die sich außerhalb von menschlichen  Zellen verbreiten, sich aber nur innerhalb der Zellen vermehren können. 

 

Bakterien sind dagegen Lebewesen. Viren und Bakterien können den Menschen insbesondere wasserbürtig (über Wasser) oder aerogen (über Luft) erreichen.

Bei einer Tröpfcheninfektion gelangen Krankheitserreger durch Speichelausscheidungen in die Luft und werden durch Schleimhäute oder Luftwege aufgenommen. Große Tröpfchen haben einen geringen Ausbreitungsradius, kleine Tröpfchen verbreiten sich Aerosolen gleich über weitere Distanzen. Kontaktinfektion erfolgen durch Berührungen. 

Auch an Gegenständen können Erreger haften. Einige Erreger, darunter sowohl Bakterien wie auch Viren, können etwa Lebensmitteln anhaften. Zu den wichtigsten Bakterien, die Lebensmittelinfektionen auslösen, gehören Salmonellen, E. coli, oder Listerien. Viren wie der Norovirus oder Parasiten wie der Toxoplasmose-Erreger können über verunreinigte Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden.

4. Technische Verträge

Alle Maßnahmen, die durch pandemische Erregerübertragung zu veranlassen sind, unterteilen sich in Maßnahmen vor Eintritt des Schadens und Maßnahmen im Schadenfall: Die pre loss area und das claims handling.

Auf der pre loss area wird es darum gehen, die Technischen Verträge und damit die Vertragsliteratur der Geschäftspartner optimal schadenpräventiv zu gestalten.

Dabei wird der Geschäftspartner mit der größeren wirtschaftlichen Macht die Bedingungen bestimmen. Typischerweise werden hier Bedingungen vereinbart, die deckungsschädlich sind, nach deren Vereinbarung also der Haftpflichtversicherer deshalb nicht Deckung gewähren muss, weil die Vereinbarungen über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht als Grundlage der Haftpflichtversicherung hinausgehen.

Im claims handling wird die immerwährende “doppelte Frage” zur Schadenentstehung zu stellen sein: Wer war´s - und kann er etwas dafür?
Der Technik hat also die Frage nach der Ursachenallokation und deren Vermeidbarkeit zu beantworten.

Beispiel: Kontaminierte Ware muss zurückgerufen werden. Es stellt sich die Frage, welchem Lieferanten die root cause zugeordnet werden kann - und ob er Mangel und Schaden hätte verhindern können.

 

II. Einkauf

 

1. Vertragsliteratur

 

Die Technischen Verträge im Einkauf werden vom Lieferanten bestimmt, wenn dessen wirtschaftliche Macht die des Einkäufers übersteigt. Die Technischen Verträge werden vom Einkäufer bestimmt, wenn dieser Einkaufsbedingungen vorhält und zusätzlich ergänzende Verträge wie Qualitäts-Sicherheits-Vereinbarungen, Beistellverträge oder Konsignationslager Verträge vorhält und umsetzen kann.

 

Technische Verträge regeln den Fall Höherer Gewalt. Im Einkauf muss man auf eine solche Regelung zum Haftungsausschluss nicht drängen, im Verkauf ist sie als Konkretisierung gesetzlicher Regeln von zentraler Bedeutung.

 

2. Höhere Gewalt und die Folgemaßnahmen

 

a) Höhere Gewalt

Zumeist wird man davon ausgehen, dass der Lieferant seine Leistungen wegen höherer Gewalt nicht, spät oder nur schlecht erbringen kann. Höhere Gewalt liegt bei äußeren Einflüssen vor, die nicht abgewendet werden können. Man wird dies etwa annehmen können, wenn Kontaminanten von einem Fisch- und Wildmarkt außerhalb der Produktionskette ausgehen und der Lieferant hiervon keine Kenntnis hat. In diesem Falle wird man unter Annahme ordnungsgemäßer kaufmännischer Verfahrensabläufe auch keine Warenkontrollen in Eingang, Produktion und Ausgang fordern können.

 

Beispiel: Apfelsaftkonzentrat und Tomatenmark aus China stammen aus dem Kontaminations-Quellgebiet.

 

b) Keine höhere Gewalt

Keine höhere Gewalt wird anzunehmen sein, wenn die Kontaminanten in der Produktionskette entstehen und der Lieferant hiervon Kenntnis haben kann in solchen Fällen wird man eine angemessene Warenausgangskontrolle fordern können. In diesen Fällen liegt eine höhere Gewalt nicht vor, weil weder äußere Einflüsse wirksam geworden sind noch das Ereignis unabwendbar war.

 

Beispiel: Lieferungen aus belasteten Gebieten werden gesperrt.

 

In diesen Fällen empfiehlt es sich im Einkauf, mit dem Lieferanten eine Vereinbarung zu treffen, wonach der Lieferant die Beweislast für das Bestehen höhere Gewalt trägt.

Die Beweisführung wird sich dann darauf zu erstrecken haben, ob das schadenstiftende Ereignis von außen auf die Produktionsabläufe und Lieferbeziehungen einwirkt, ob man dieses Ereignis hätte vorhersehen können oder ob es anhand von üblichen Kontrollen erkennbar gewesen wäre: Zufallsfund.

 

Allerdings: Die Neigung zur vertraglichen Vereinbarung gefahrdrohender Umständen fällt in dem Umfang, in dem das Risiko konkret wird. Vertragsvereinbarungen zum eingetretenen Schaden wird es kaum geben.

 

Auch auf die Rechtsprechung dürfte dabei zunächst wenig Verlass sein. Nicht nur die Unternehmen als Rechtsnehmer sind von den neuen Risiken überrascht, als auch die Gerichte in ihrer rechtsgebenden Funktion. 

Wenigstens für eine Dauer von zwei Jahren dürfte keine verbindliche Orientierungsrechtsprechung entstehen. Klagen vor Gericht und insbesondere im Ausland sind daher derzeit kaum zu empfehlen.

 

c) Die Folgemaßnahmen

Neue Risiken lösen sich von den hergebrachten Unternehmensstrukturen. Die Risikolage ist zumeist unklar: “Erhalten wir Lieferungen? Können unsere Mitarbeiter im Betrieb weiter arbeiten? Wird der Kunde unsere Ware abnehmen?

 

Es ist daher davon auszugehen, dass Fehlentscheidungen in der Lieferkette getroffen werden: Es wird nicht geliefert, wo geliefert werden könnte; die Produktion könnte unter Sicherheitsvorkehrungen fortgeführt werden; der Kunde könnte abnehmen.

 

In derartigen Fällen ist die unternehmerische Werteentscheidung des Lieferanten zu beurteilen.

Je nach Gefahrenlage wird man ihm ein Prognoserisiko zugestehen müssen, nach dem Fehlentscheidungen zwar zu Mangelersatzansprüchen führen, die dann in der Regel verspätet sein dürften - nicht aber zu Schadenersatzansprüchen, die von einem Verschulden abhängig sind. 

Trifft der Lieferant in Zeiten unerwarteter Risiken eine Fehlentscheidung, muss man abwägen zwischen der erforderlichen Sorgfalt des Unternehmens einerseits und einer fehlerhaften Entscheidung, die aber aufgrund der schwierig zu treffenden Prognose eine Verantwortung für einen Schadenersatz nicht begründet.

 

Beispiel: Der Lieferant ist sich im Unklaren, ob seine Lieferung Träger von Kontaminanten ist. Er liefert nicht.

 

III. Produktion

 

1. Mangelhafte Erzeugnisse

 

Die gesetzliche Regelung zum Kaufvertrag:


§ 434 BGB Sachmangel

(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln,

1. wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst

2. wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

...

 

Nach dem Gesetz sind also Sachen mangelhaft, die einen Beschaffenheitsmangel, einen konkreten oder allgemeinen Verwendungsmangel aufweisen. In dieser Reihenfolge.

 

2. Mitarbeiterschutz

 

Im Betrieb ist es zunächst Sache der Sozialversicherungsträger und insbesondere der Berufsgenossenschaften, den Mitarbeiterschutz - neben den aus dem Arbeitsrecht herrührenden Pflichten des Arbeitgebers - zu bewirken.

 

3. Produktschutz

 

Sache der Produkthaftpflichtversicherung ist die Kontamination von Erzeugnissen aus dem kontaminationsgebenden Betrieb mit der Folge einer Infektion des Kontaminationsnehmers beim Abnehmer oder Dritten durch den Ge- und Verbrauch im Feld. Hier empfiehlt sich eine Produktklassifikation.

 

4. Kontaktlose und kontakt-affine Erzeugnisse

 

a) Kontaktlose Erzeugnisse

Vom Riskmanagement zur Vermeidung der Übertragung von Krankheitserregern ausgenommen werden können zunächst in der Regel kontaktlose Erzeugnisse. 

 

Dies können sowohl solche Erzeugnisse sein, die 

 

aa) kontaktlos hergestellt werden als auch 

bb) solche Erzeugnisse, die beim Abnehmer kontaktlos weiterverarbeitet werden. 

 

Das Risiko der Übertragung eines Krankheitserreger ist hier theoretisch.

 

b) Kontakt-affine Erzeugnisse

Kontakt-affine Erzeugnisse sind solche Erzeugnisse, die sowohl im Herstellungsbetrieb als auch beim Abnehmer Kontakt zu Personen bewirken.

 

5. Gefährliche und ungefährliche Erzeugnisse

 

Erzeugnisse können gefährlich oder ungefährlich sein. Ein Erzeugnis ist nach Art, Zeit oder Verwendung gefährlich, wenn sowohl im Betrieb Erreger in das Erzeugnis eingetragen werden können als auch beim Abnehmer eine Infizierung mit diesen Erregern erfolgen kann. Hierzu zählen Lebensmittel und Pflanzen.

 

Ein Erzeugnis ist nach Art, Zeit oder Verwendung ungefährlich, wenn es nach Art und Oberflächenstruktur Keime nicht aufnehmen kann, Infektionen sorgfältig ausgeschlossen werden können oder Transportart oder Transportdauer keimtötend wirken.

 

6. Verdächtige Erzeugnisse 

 

Verdächtige Erzeugnisse sind solche Erzeugnisse, die man weder zu den gefährlichen noch zu den ungefährlichen zählen kann - ohne dass man ihre Zuordnung zu der einen oder anderen Gruppe aber ausschließen könnte. 

 

Hierzu zählen neben Lebensmitteln, Pflanzen und tierischen Produkten etwa Bedarfsgegenstände, wie die Verpackungen für derartige Erzeugnisse.

 

Sind Erreger und Übertragungswege unsicher, sind es die Erzeugnisse auch.

 

7. Empfehlung

 

Verbrauchsgüter gefährden den Abnehmer unmittelbar, Gebrauchsgüter regelmäßig nur für einen begrenzten Zeitraum.

 

Hier werden die Erzeuger von Lebensmitteln und solcher Erzeugnisse, die bestimmt sind für den Kontakt zu Personen und ihrer Art nach als Erreger-Taxi geeignet sind, ihre Maßnahmen im Rahmen von HACCP und GMP anpassen.

 

Insbesondere den Erzeugern von Verdachtserzeugnissen ist aber zu empfehlen, sich diesen bewährten Schadenpräventionsmethoden der Lebensmittelindustrie anzuschließen.

 

IV. Verkauf

 

1. Höhere Gewalt  - Oder doch nicht?

 

Die eigene Nichtbelieferung aus höherer Gewalt kann gegenüber dem eigenen Abnehmer eine eigene höhere Gewalt darstellen - oder auch nicht.

 

Erfolgt die Nichtbelieferung durch den Lieferanten aus höherer Gewalt oder aus fehlerhafter Annahme höhere Gewalt, bleibt es für den Verkäufer dabei, dass diese Nichtlieferung durch äußere Einflüsse für ihn entstanden ist .

Für ihn ist die fehlende Möglichkeit der Vertragserfüllung gegenüber dem Kunden aber dann keine höhere Gewalt, wenn das Ereignis abwendbar war. Werden also neben einem single sourcing Erzeugnisquellen in Ländern außer acht gelassen, die liefern könnten, handelt es sich nicht um höhere Gewalt.

Die Nichtlieferung gegenüber dem Kunden ist dann nicht unabwendbar und auch keine höhere Gewalt. Nacherfüllung hat zu erfolgen; Schadenersatzansprüche sind davon abhängig, in welchem Umfang man Schäden zu vertreten hat. 

 

2. Unmöglichkeit der Leistung

 

Versagen alle Lieferquellen, wird der Erfüllungsanspruch unmöglich. Schadenersatzansprüche, die auf ein Verschulden zu gründen sind, wird es dann nicht geben. 

 

3. Technische Verträge

 

Der Kunde wird kaum Neigung zur Vereinbarung neuer, den Risiken angepasster, Vertragsregelungen zeigen und auch hier gilt das Fehlen einer Orientierungsrechtsprechung.   

 

Die Technischen Verträge im Verkauf werden dabei regelmäßig vom Kunden bestimmt: Allgemeine Einkaufsbedingungen, Qualitäts-Sicherung-Vereinbarungen, Beistellverträge, Konsignationsläger ... Geregelt wird auch die Höhere Gewalt.

 

Zumeist wird man in den Fällen der Nicht-, Schlecht- oder Spätleistung davon ausgehen, dass man als Lieferant seine Leistungen wegen höherer Gewalt dann nicht erbringen kann, wenn man aus Gründen höherer Gewalt beim eigenen Lieferanten nicht, nicht rechtzeitig oder nur schlecht liefern kann: Höhere Gewalt liegt bei äußeren Einflüssen vor, die nicht abgewendet werden können. In diesem Falle wird man unter Annahme ordnungsgemäßer kaufmännischer Verfahrensabläufe auch keine Warenkontrollen in Eingang, Produktion und Ausgang ausführen.

 

Keine höhere Gewalt wird anzunehmen sein, wenn die Kontaminanten in der Lieferkette entstehen und man hiervon Kenntnis haben kann. In solchen Fällen wird eine angemessene Warenausgangskontrolle erforderlich. 

In diesen Fällen liegt eine höhere Gewalt nicht vor, weil weder äußere Einflüsse wirksam geworden sind noch das Ereignis unabwendbar war.

 

Vertragsvereinbarungen zur Entlastung des Kunden sollten mit Blick auf die fehlende Versicherung von Schäden durch Höhere Gewalt vermieden werden. Klagen vor Gericht sind derzeit kaum zu erwarten; harte außergerichtliche Verhandlungen schon.

 

4. Das Entwicklungsrisiko

 

Neue Risiken, bange Fragen: Wird der Kunde unsere Ware abnehmen?

Fehlentscheidungen werden getroffen: Es wird nicht geliefert oder der Kunde könnte abnehmen.

 

In derartigen Fällen ist die Werteentscheidung des Kunden zu beurteilen. Je nach Gefahrenlage wird man auch ihm ein Prognoserisiko zugestehen müssen, nach dem Fehlentscheidungen nicht zu Schadenersatzansprüchen führen, weil sie von einem Verschulden abhängig sind. 

Trifft der Kunde in Zeiten unerwarteter Risiken eine Fehlentscheidung, muss man abwägen. Nicht immer gerät er schuldhaft in Annahmeverzug.   

 

D. Rückrufversicherung

 

Erzeugnisse, die Krankheiten übertragen können, müssen zurückgerufen werden.

 

Gegenstand der Rückrufversicherung sind gefährliche Erzeugnisse. Ganz regelmäßig stellt die Rückrufversicherung dabei ab auf das Risiko eines Personenschadens.

 

Gefährlich sind krankheits-übertragungsfähige Produkte. Erreger-Taxis.

 

Gefährliche Erzeugnisse können durch Personen-Kontamination, Transport-Kontamination oder durch Kreuzkontamination mit anderen Erzeugnissen entstehen. Die Lebens- und Schaddauer des Erregers hängt dabei unmittelbar zusammen mit dem MHD eines Erzeugnisses.

 

Ruft das Unternehmen selbst zurück, bedarf es einer Eigen-Rückrufdeckung, ruft der Abnehmer zurück, entsteht für den Betrieb das Risiko des Rückrufs in der Weise, dass die Kosten für den Fremdrückruf des Abnehmers zu versichern sind.

 

E. IT-Deckungen

 

Erzeugnisdistribution wird regelmäßig durch Informationstechnologie gesteuert. Betriebs-Haftpflichtversicherungen sehen regelmäßig eine IT-Deckung vor.

 

IT-Deckungen unterteilen sich im typischerweise in drei Deckungsformen:

 

IT-Herstellung - IT-Anwendung - Cybercrime.

 

Diese Deckungen werden etwa dann von Bedeutung, wenn es durch eine Datenfehlübermittlung zu einer verspäteten Verbraucher-Warnung kommt oder Laborbefunde verfälscht werden. Krankheitsvirus und Computervirus korrelieren dann.

 

Die IT-Zusatzversicherung ersetzt auf separaten Antrag Personenschäden
durch Daten, die nicht, schlecht oder verändert gespeichert wurden oder Personenschäden durch Zugangsschäden.

 

F. Umwelt-Haftpflichtversicherungen

 

Umweltschaden ist die beschaffenheitsverändernde und gemeinschadengeeignete Veränderung der Umweltkompartimente Luft, Wasser und Boden.

Beschaffenheitsverändernd sind neben physikalischen und chemischen Zusammensetzungen der Umweltkompartimente auch biologische Veränderungen, etwa durch Viren.

 

Beispiel: Aufgrund der defekten Luft-Filteranlage kommt es leeseits zu Schadstoffbelastungen. 

Aufgrund des defekten Schwerstoffabscheiders kommt es unterstrom zu einer mikrobiellen Belastung des Vorfluters.

 

Gemeinschadengeeignet ist der Umweltschaden, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen gefährdet ist.

Der Umweltschaden ergibt sich in seinem work flow durch den Umwelt-Primärschaden an Luft, Wasser und Boden und den dadurch entstehenden Umwelt-Sekundärschaden - wie etwa einem Personenschaden. 

Die anlagenbezogene Umwelt- oder WHG-Deckung bezieht sich dabei auf Gewässer und umweltschädliche Stoffe, nicht aber auf Stoffe, die zu einem Personenschaden ohne vorherigen Umweltschaden führen können. 

 

Theoretisch denkbar ist es, derartige Umfeldschäden eines Betriebes nach dem Vorbild der Umwelthaftpflichtversicherung zu decken. 

Hier geht es dann darum, dass ein ausgeprägtes Mehr-Personenschadenrisiko besteht und nach den Vorbildern des WHG-Regressrisikos oder WHG-Restrisikos eine Deckung geboten wird ohne das Erfordernis eines Umweltprimärschadens.

 

Das Heranziehen dieser Deckungsform zeigt aber deutlich, dass die Haftpflichtversicherung in Zukunft die Frage beantworten muss, ob zumindest Abwehrschutz für Kontaminationen  geboten werden kann, also in den Fällen, in denen eine Infektion, aber noch keine Krankheit vorliegt. Infektionen sind kein Personenschaden und damit nicht versichert.

 

 

Von Anke Nickel-Fiedler und Dr. Friedhelm G. Nickel

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